Die Flakartillerie in Dessau - Kochstedt und das Flak-Regiment 43
Die 8,8-cm Flak waren wohl die vielseitigsten und vom Gegner am meisten gefürchteten Geschütze im Zweiten Weltkrieg. Sie gehörten zur Ausrüstung der deutschen Flugabwehr, an deren Aufbau Adolf Hitler im Rahmen der allgemeinen Wiederaufrüstungsmaßnahmen nach dem 30. Januar 1933 mit verstärkter Kraft arbeiten ließ. Hitler konnte dabei auf von der Reichswehr bereits ab 1930 getarnt getroffene Aufbauplanungen zurückgreifen. Die nationalsozialistische Führung erweiterte die Vollmachten zur Verstärkung der Landesverteidigung und stellte die erforderlichen Geldmittel zur Verfügung. Alles lief auf die Schaffung einer schlagkräftigen Angriffsarmee hinaus. Zum Militärkonzept der Nationalsozialisten gehörte aber ebenso die Schaffung einer modernen Luftverteidigung. In den wichtigen Industriezentren wurden nach und nach zahlreiche Flakbatterien installiert. Nach Dessau kamen die ersten Abteilungen der Flakartillerie im Herbst 1936. Das Schicksal dieser in Dessau stationierten Flak-Einheiten soll im vorliegenden Beitrag nachgezeichnet werden.
Aufstellung von Flak-Einheiten in Deutschland und die Stationierung von Flak-Regimentern in Dessau
Bis zum Herbst 1935 waren im Gebiet des Deutschen Reiches außer den Stabsbatterien, in denen das Personal der Abteilungsstäbe und der Abteilungsnachrichtenzüge zusammengefasst waren, nur 32 Flakbatterien, eine Scheinwerferbatterie und 12 Scheinwerferzüge entstanden. Es gab keine leichten Flakbatterien. Die Abteilungen waren nicht immer gleich stark. In der Folgezeit wurden die Neuaufstellungen jedoch so durchgeführt, dass die Abteilungen gleichmäßig zusammengesetzt waren. Es gab jetzt schwere und leichte Flakabteilungen.
Die schweren Abteilungen umfassten drei Batterien mit 8,8-cm-Geschützen, eine Batterie mit 3,7-cm-Geschützen, eine Scheinwerferbatterie mit 150-cm-Scheinwerfern und eine Stabsbatterie. Dazu verfügte jede Abteilung über eine Ergänzungsbatterie, in der die Ausbildung der Soldaten durchgeführt wurde, die nur für kurze Wehrübungen einberufen worden waren. Die leichten Flakabteilungen gliederten sich in drei Batterien mit 2-cm-Geschützen, eine Scheinwerferbatterie mit 60-cm-Scheinwerfern, einen Nachrichtenzug und ebenfalls eine Ergänzungsbatterie. Die schweren Abteilungen wurden jeweils als I. Abteilung, die leichten Abteilungen als II. Abteilung eines Flakregiments bezeichnet.
Flakregimentsstäbe gab es seit Herbst 1936, bis zum Herbst 1937 waren zehn aufgestellt worden. Im Laufe des Jahres 1936 begannen erste Planungen für den Aufbau einer Luftverteidigungszone West, die den Schwerpunkt einer wirkungsvollen Luftraumverteidigung bilden sollte. Die Zuführung von Waffen und Gerät aus der Industrie wuchs an. Rohstoffbedingte Schwierigkeiten traten dabei gelegentlich bei der Scheinwerferfertigung auf.
Im Herbst 1936 kamen die ersten Abteilungen der Flakartillerie nach Kochstedt, wo eine neue Kaserne für das Flakregiment 26 gebaut wurde. Auch die II. Abteilung des Flakregiments 43 erhielt Kochstedt als Feldpoststandort. Der offizielle Einzug der Flakartillerie in Dessau bzw. Kochstedt erfolgte im Februar 1937. Er wurde als großer Vorbeimarsch der Truppen in der Kavalierstraße inszeniert und mit einem großen Zapfenstreich am Abend abgeschlossen, bei dem die großen Flakscheinwerfer den nächtlichen Himmel über Dessau beleuchteten. Erster Regimentskommandeur des Flakregiments 26 war Oberstleutnant Spieß. Vier Wochen später übernahm Oberst Braun den Oberbefehl über das Regiment. Ihm folgte im November 1938 Oberstleutnant Heino v. Rantzau als Regimentskommandeur. Von der Stammbatterie Bitterfeld erfolgten Abgaben an den neuen Dessauer Truppenteil. Die restlichen Soldaten der Abteilung wurden einberufen.
Das allgemeine Richtfest für die Kasernenneubauten in Kochstedt fand am 4. März 1937 statt. Die weiteren Baumaßnahmen gingen schnell voran. Schon wenig später berichtete ein Reporter des Anhalter Anzeigers über einen Besuch in der fast fertiggestellten Kaserne u.a. folgendes: „Alle Räume waren zweckmäßig gestaltet worden. Im Geschäftszimmer herrschte ein Kommen und Gehen, Zeichen dafür, daß die Arbeit im vollen Umfang eingesetzt hatte. Wir gingen weiter durch den Lehrsaal einer Batterie, warfen danach einen Blick in die Waschräume. Bei dem Anblick der schönen Schlafräume stellten wir Vergleiche mit dem Ausstattungszustand einstiger Kasernen an.
Verschwunden waren die „mehrstöckigen Betten“, ebenso der enge Spind. In sauberen Küchen waren eifrige Vorbereitungen für den nächsten Tag im vollen Gange. Einladend waren die Speise- und Unterhaltungsräume mit ihrer modernen Einrichtung, stilvolle Beleuchtungskörper, schöne Tische und Stühle lenkten die Blicke auf sich.
Der Weg durch das Kasernengelände führte uns vorbei an einem hochragenden Bau, dem Fernheiz– und Kraftwerk. Auch ein eigenes Wasserwerk war hier gebaut worden, das gutes Wasser lieferte. Die Halbkettenfahrzeuge für die 8,8-cm-Flak und die Kraftfahrzeuge der Batterien besichtigten wir vor den großen Hallen. Dort waren die Zugmaschinen aufgefahren worden, ausgerichtet in einer Reihe, vor den Geschützen und anderen Fahrzeugen der Batterien ...“.
In diesen Zeitabschnitt der Regimentsgeschichte fällt auch das Richtfest der Siedlung Zoberberg, am Wege zwischen Kochstedt und Mosigkau gelegen, deren Häuser für die Unterbringung von Arbeitern und Angestellten der Flak bestimmt waren. Jedes dieser zwanzig Doppelhäuser erhielt zwei Stuben und eine Wohnküche, hinzu kamen eine Waschküche mit Bad und Wasserklosett und ein Stall. Zehn dieser Häuser wurden mit einer Bodenstube ausgestattet, diese kleine Erweiterung dieser Häuser diente als Kinderzimmer. Für die Bewohner gab es dazu einen großen Garten.
Das Dessauer Flakregiment 26 gehörte zum Luftkreis-Kommando 7, dessen Aufstellung im Oktober 1936 aus dem verstärkten Luftgau-Kommando Braunschweig erfolgt war. Der Befehlsbereich des Luftgau-Kommandos 7 umfasste neben Braunschweig u.a. die Provinz Sachsen, die Länder Anhalt, Oldenburg und Hamburg. Im Oktober 1937 entsprach der Befehlsbereich den Wehrkreisen X und XI. Im Februar 1938 kam der Befehl zur Auflösung bzw. zur Neueingliederung in das Luftwaffengruppen-Kommando 2. Durchgeführt wurde dieser Befehl bis Ende März 1938. Der kommandierende General und Befehlshaber im Luftkreis 7 war von Oktober 1936 bis März 1938 der Flieger-General Walter Felmy. Zu den Luftkreiskommandos gehörten mehrere Aufgabenbereiche, u.a. die Organisation der Flakartillerie.
Am 1. August 1938 begann eine erneute Um- und Neuformation der Flakartillerie. Kasernen wurden im Rekordtempo gebaut, vorhandene Unterkünfte genügten nicht mehr den höheren Anforderungen. Es erfolgten nicht nur Verlegungen von kompletten Batterien und Flakabteilungen, sondern auch viele Neuaufstellungen. So wurde die österreichische „Flakabteilung Steyer“ um eine leichte vierte Batterie aus der II. Abteilung des Regiments 26 Dessau aufgestockt. Die „Herbstübung“ 1938 musste die Abteilung vor ihrer Verlegung nach Österreich noch vom alten Standort mitmachen. Die I. Abteilung des Flakregiments 26 wurde infolge der Veränderungen und Neuaufstellungen im November 1938 nach Bremen-Nord verlegt.
Nach den Bestimmungen des Münchener Abkommens vom 29./30. September 1938 musste das Sudetenland am 1. Oktober 1938 von der Tschechoslowakei an das Deutsche Reich abgetreten werden. Am selben Tag besetzten deutsche Truppen dieses Gebiet. An der Besetzung des Sudetenlandes waren, im Rahmen einer „Herbstübung“, auch Flaksoldaten der II. Abteilung des Regiments 26 aus Dessau beteiligt.
Aus einem im Anhalter Anzeiger bald nach diesen Ereignissen veröffentlichten Erlebnisbericht von Erich Stoffregen, Teilnehmer an der Besetzung des Sudetenlandes im Oktober 1938, entstand der folgende Marschkalender: Am 20. September erfolgte die Bahnverladung von Dessau nach Bunzlau (Schlesien), danach bis zum 24. September im Quartier, dann weiter in den Raum Schönau an der Katzbach. Die Batterien lagen in Schönau, die Kolonne auf einem Gutshof in Röversdorf nordwestlich von Hirschberg. Am 26. September erfolgte der Quartierwechsel ins Waldenburger Bergland. Ab 2. Oktober: mehrere Tage in Bürgerquartieren in Zedlitz, Wetter: verhangener Himmel. Dann ging es weiter in den Raum Schweidnitz und Reichenbach, die Kolonne landete in Leutmannsdorf. Fortgesetzte Wachdienste bestimmten die Tage. 8./9. Oktober: das Gebiet um Braunau wurde besetzt, Aufbruch der Kolonne aus Leutmannsdorf. Es ging der Grenze zu, durch die schlesischen Dörfer Dittmannsdorf, Neußendorf und Liebau. Der Grenzübertritt erfolgte bei dem Dorf Königshau. Die Kolonne blieb hier, die Batterien rückten in die Dörfer bis nach Trautenau vor. Am 10. Oktober erfolgte ein Übungsmarsch auf den Spitzberg. Quartier war in Waldenburg bis zum 12.Oktober. Die leichte Kolonne lag dann in Niedersalzbrunn bis zum 19. Oktober. Am 20. Oktober erfolgte der Rückmarsch über Hirschberg, Geißenberg, Görlitz, Löbau, Bautzen; letztes Quartier war in Wittichenau. Am 21. Oktober ging es weiter über Senftenberg, Torgau, Wittenberg, Coswig nach Dessau. Dann rollten die Fahrzeuge, durch ein Spalier jubelnder Dessauer, wieder in die Kaserne nach Kochstedt.
Die umfangreichen Personalabgaben für Österreich und die Luftverteidigungszone West verhinderten die Aufstockungen der Flak-Stammbatterien zu Abteilungen mit voller Personalstärke. Auch die 1939 erfolgte Besetzung der Rest-Tschechoslowakei verhinderte diese Aufstellungen. Es entstanden Flak- Ergänzungseinheiten, die an ihren Standorten zum Objektschutz eingesetzt waren, z.B. die schwere I. Abteilung des Regiments 43 Wittenberg, Luftgau 4, als Flak-Ersatz- und Ausbildungsabteilung. In der Kochstedter Kaserne waren nun die restlichen Abteilungen des Flak-Regiments 43 stationiert.
Am 16. Juni 1939 berichtete der Anhalter Anzeiger über den Dienst in der Flakgarnison, z.B. bei einer Stabsbatterie, über die jede Flakabteilung verfügte und die der Ausbildung der Flaksoldaten diente: „Wir treten hinein in den Dreiflügelbau. Die beiden Seitenflügel enthalten in blitzsauberen, gemütlichen Stuben die Unterkünfte der Mannschaften, dazu kommen Wasch- und Duschräume und was noch dazugehört. [...] Nun interessieren uns die Schilder an den Türen. Wir lesen: Fernsprechlehrsaal, Funklehrsaal, Kraftfahrlehrsaal. Unser Begriff, hier in einer, man möchte sagen technischen höheren Lehranstalt zu stehen, wird verstärkt, wenn wir eintreten. Da sitzt der ganze Lehrsaal voll. Die Unterführer, Unteroffiziere und Wachtmeister sind beim Unterricht. Jeder Soldat hat seinen Arbeitstisch, auf ihm liegen die verschiedensten Geräte. Elektrizität spielt die Hauptrolle in diesen Sälen. Stramm erklingt die Meldung. Dann folgt kurze Erklärung, was gerade gemacht wird. [...] Tagtäglich gehen Unterricht und Praxis Hand in Hand, bis jeder Griff sitzt. [...]
Was die anderen Batterien derweil machen? Mit einem Worte: Ausbildung in Flakschießlehre, Ballistik, Flugzeugerkennungskunde, das sind so einige Spezialausdrücke. Ein ganzes Sammelsurium zeigt der Dienstzettel einer Batterie. Neben den üblichen Verrichtungen vom Bereichreinigen über die täglichen Appelle bis zum Essen, der Putz- und Flickstunde und dem wöchentlichen Sport kann man da lesen: Flakartilleristischer Unterricht, Geschützstaffel einschl. Funker und Fernsprecher, Meßtrupp I und II, E-Messer, Hemmungsexerzieren bei den 2-cm-Geschützen, dazu praktischer Dienst am Gerät.“
Zu einem motorisierten Flakregiment wie dem Regiment Nr. 43 gehörten laut Kriegsstärken-Nachweislisten:
> Stab mit Nachrichtenzug: 6 Offiziere, 2 Beamte, 20 Unteroffiziere und 67 Mannschaften
> I. schwere Abteilung (4 Batterien): bis zu 24 8,8-cm-Geschütze, 27 Kfz, 43 Anhänger, 12 Kräder;
insgesamt 8 Offiziere, 84 Unteroffiziere und 391 Mannschaften (bei voller Personalstärke im
Frieden: 16 Offiziere, 608 Unteroffiziere und Mannschaften)
> II. leichte Abteilung: 1.-3. Batterie mit 36 2-cm-Geschützen und drei 2-cm-Vierling-Geschützen,
19 Kfz, 67 Anhänger, 11 Kräder; 18 Offiziere, 645 Unteroffiziere und Mannschaften;
4. Batterie: 12 3,7-cm-Geschütze, 4 60-cm-Scheinwerfer, 2 Kfz, 16 Anhänger, 2 Kräder; 3 Offiziere,
134 Unteroffiziere und Mannschaften, 2 Beamte
> III. Abteilung (Flakscheinwerfer mit Stab und Nachrichten-Staffel): 16 Offiziere , 120 Unteroffiziere,
810 Mannschaften.
Im Jahr 1943 war Anhalt Teil des Luftgau-Kommandos IV, das in Dessau vier schwere und fünf leichte Flak-Batterien stationierte. Im Juli 1943 galt der Kampf um eine Verstärkung des Schutzes in Anhalt besonders den Werken in Dessau, Köthen, Staßfurt und Schönebeck. Beantragt wurde ebenfalls Flakschutz für das Kraftwerk Elbe. Dieser Schutz sollte durch die Aufstellung einer Heimatflakbatterie am Ostausgang von Waldersee sichergestellt werden. Erst im September 1943 wurde der Flakschutz von Dessau durch die Aufstellung neuer Flakbatterien verstärkt. Als Sitz der 2. Flakbrigade sollte die Stadt im Mai 1944 von dreizehn schweren Batterien mit insgesamt 81 Rohren geschützt werden (davon waren drei Batterien Heimatflak).
Vier leichte Batterien mit 71 Rohren waren jederzeit verfügbar. Fünf Scheinwerfer-Batterien mit 80 Werfern sowie eine Nebel-Abteilung wurden dieser Flakgruppe angegliedert. Ein Flak-Zeugamt bestand in Oranienbaum. Die Materialbeschaffung für die Flakabteilungen im Heimatgebiet gehörte zu dessen Aufgaben.
Im Sommer 1944 erfolgten enorme Veränderungen. Die selbständigen Flakgruppen wurden zu Brigaden ausgebaut. Dessau wurde Sitz der 2. Flakbrigade, mit der Flakgruppe Magdeburg und Dessau (Schweres Regiment 108), auch Regiment 143 Dessau, Flakgruppe Dessau mit den Abteilungen 174 schwer (Stab), 434, 464, 727 leicht sowie schwere Flakscheinwerfergruppe 108 Magdeburg. Nach erfolgten Umgliederungen in der Flakartillerie lautete die Bezeichnung 1944 Flakregiment 143 Dessau-Kochstedt.
In einer Einladungsliste der Stadt Dessau vom 17. Juni 1944 sind Namen von Offizieren vermerkt, die in der Aufbauzeit der Flak noch nicht auftauchten: ein Generalleutnant Piecke, Kochstedt, Luftwaffenpersonalamt, und der Kommandeur der Flakgruppe Dessau, Flak-Regiment 143 Oberstleutnant Janik, Kaserne Kochstedt.
Kommandeure der Dessauer Flak–Regimenter
Luftkreis VII. Stab, Flak–Regiment 26 | Oberstleutnant Spieß, Regimentskommandeur |
Luftkreis VII. Stab,Flak–Regiment 26 | Oberst Braun, Regimentskommandeur |
I. Batterie Flak- Regiment 26 | Major Pregler, Abteilungskommandeur |
II. Batterie Flak-Regiment 26 | Major Freytag, Abteilungskommandeur |
Luftverteidigungs-Kommando 3. Stab, | Oberstleutnant von Rantzau, |
II. Flak–Regiment 43 | Major Löhr, Abteilungs-Kommandeur |
III. Flak–Regiment 43 | Major Freytag. Abteilungs-Kommandeur |
Weitere Regiments–Kommandeure des Flak-Regiments 43 waren: | von | bis |
---|---|---|
Oberst Walter Hippe | 06.07.1940 | 08.09.1940 |
Oberst Wolfgang Freytag | 09.1940 | 27.06.1941 |
Oberstleutnant Erwin Giebner | 06.1941 | 01.1944 |
Oberstleutnant. Richard Kolb | 24.01.1944 | 05.1944 |
Oberst Hermann Souchon | 06.1944 | 07.1944 |
Oberst Alfred Krempe | 02.08.1944 | 08.05.1945 |
Die Bewaffnung der Kochstedter Flak-Abteilungen
Die Bewaffnung des Regiments 43 bestand aus 8,8-cm-Geschützen und 2-cm-Flak 30 bzw. der 1939 entstandenen Weiterentwicklung 2-cm-Flak 38, die bedeutende Verbesserungen aufwies. Abgesehen von ihrem geringeren Gewicht - was im Einsatz nicht immer vorteilhaft war - und einem idealeren Richtmechanismus besaß die Waffe auch eine höhere Feuergeschwindigkeit von theoretisch 480 Schuss pro Minute (praktisch etwa 220). Stationär eingebaut und später auch auf verschiedenen Fahrgestellen oder Panzerchassis als Vierling montiert, wurde diese Art der leichten Flak zu einer vom Gegner am meisten gefürchteten Waffe. Ihre Bedienungen führten im Erdeinsatz manche Entscheidung herbei, und unzählige Tiefflieger wurden von ihnen abgeschossen. Der 2-cm-Flak-Vierling, mit den vier Rohren auf einer Lafette montiert, konnte pro Minute rund 800 Schuss abfeuern. Die Schussweite betrug 4,8 km und die Feuerhöhe etwa 3,7 km.
Während in den ersten Kriegsjahren von dieser Flak nur verhältnismäßig geringe Stückzahlen hergestellt wurden, führten die Erfolge besonders der Vierlings-Flak zu einer Steigerung der Produktion auf monatlich 400 Stück dieser Waffe. Die technischen Daten dieser Waffe (als Einzelwaffe) waren:
Kaliber | 20 mm |
Länge mit Mündungsbremse: | 2,25 m |
Gewicht (Lafette mit Waffe und Visier): | 412 kg |
Länge des Rohres: | 1,30 m |
Geschoßgewicht: | 143 g |
Anfangsgeschwindigkeit des Geschosses: | 830 m/sec |
Höhenrichtbereich: | -20° bis + 90° |
Seitenrichtbereich: | 360° |
Allein die Luftwaffe besaß von August 1944 bis Februar 1945 ca. 3.800 2-cm-Vierlinge. Im Verlauf des Zweiten Weltkrieges waren diese Waffen auf allen Kriegsschauplätzen oder zum Objektschutz im Einsatz.
Die 8,8-cm-Geschütze konnten Sprenggranatpatronen mit Zeitzünder zum Luftziel Beschuss, Panzergranaten mit Aufschlagzünder für Bunker und Panzerbekämpfung sowie Sprenggranaten mit Aufschlagzünder gegen ungeschützte Erdziele verschießen. Für den Erdziel Einsatz wurden alle Geschütze mit dem Erdzielfernrohr 3 x 8 ausgestattet. Die Treffergenauigkeit und Durchschlagsleistungen der 8,8-cm-Geschütze waren bei allen feindlichen Kampfpanzer-Besatzungen gefürchtet. Im Erdeinsatz machten die Verbände der schweren Flak oft das Rückgrat der Panzerabwehr aus.
Technische Daten der 8,8-cm-Geschütze:
Feuergeschwindigkeit: | 15 bis 20 Schuss pro Minute |
Reichweite: | 14.860 m bei 45° Rohrerhöhung mit Panzergranate |
Geschossgeschwindigkeit: | 795 m/s Panzer-Granat-Patrone 15,3 kg |
840 m/s Spreng-Patrone 14,7 kg | |
Zünderreichweite: | 10.600 m bei 85° Rohrerhöhung |
E-Entfernung bei Panzer-Abwehr | bis 2.000 m |
Durchschlagsleistung der Panzer-Granate 40 | bei 1.000 m = 137 mm |
bei Aufschlagswinkel 60° 1.500 m = 123 mm |
Jede schwere Flakbatterie verfügte über ein Kommandogerät 36. Es stand immer einige hundert Meter seitlich von der Feuerstellung. Dreizehn Kanoniere bedienten das Gerät, mit dem die Richtwerte für die Flakgeschütze ermittelt wurden. Während die Erdartillerie auf Erdziele schoss, bei der Entfernung und Seite zu messen waren, kam bei der Flakartillerie die Höhe noch dazu, so dass nach Entfernung, Seite und Höhe eingerichtet werden musste. Dazu kam die besondere Schwierigkeit, dass die aufzufassenden Ziele über 400 Kilometer pro Stunde schnell waren. Die Anflughöhe bei Tagangriffen betrug 10 - 12 km, wodurch die Beschusszeiten durch schwere Flak wesentlich verringert wurden.
Der wichtigste Mann am Kommandogerät war der Entfernungsmesser, kurz E-Messmann genannt. Er stand in der Mitte des Raumbildhöhenmessers und musste unentwegt mit beiden Augen in diese vier Meter lange Röhre schauen. Vier Kanoniere wirkten mit dem Raumbildhöhenmesser zusammen. E 1 war der Entfernungsmesser, E 2 stand rechts von ihm und verfolgte das Ziel der Seite nach, E 3 stand links und verfolgte die Höhe des Flugzeuges, während der vierte Kanonier die Werte ablas. Von dem E-Messmann wurde unbedingt räumliches Sehen verlangt. Die übrigen Kanoniere erfüllten die anderen Aufgaben, denn ehe die Eingangswerte über Zwischenwerte als Endwerte über Kabel zu den Geschützen gemeldet wurden, mussten sie eine ganze Reihe von Umformungen durchmachen. Gab das Kommandogerät die drei Endwerte der Seite, Höhe und Zünderlaufzeit durch, dann leuchteten am Geschütz Lampen auf. Viele Hände drehten das Geschütz, damit das Rohr den durch Lichtzeichen übermittelten Werten gemäß auf und nieder ging oder seitlich schwenkte. Die Feuerleitgeräte bei der schweren Flak errechneten laufend aus dem Kurs des Flugzieles und seiner Geschwindigkeit die Schusswerte. Diese Werte wurden kontinuierlich elektromechanisch oder fernmündlich weitergeleitet. Alle vier Geschütze einer schweren Batterie erhielten zu gleicher Zeit die gleichen Werte und feuerten gleichzeitig. Nur bei direkten Tiefangriffen gegen die eigene Stellung wurde vom Batterie-Chef Nahfeuer freigegeben. Nur dann hatten die Geschützführer freie Zielwahl und bekämpften über das Zielfernrohr den Angreifer selbständig.
Das Kommandogerät der leichten Batterie wurde vom E-Messmann getragen. Der E-Messer baute sich nahe dem 2-cm-Geschütz auf. Er ermittelte die Werte, um sie dann sofort an die Geschützbedienung weiterzugeben.
Die Geschützrohre der Flak-Batterien standen unter ständiger Pflege und Kontrolle. Um ihre Präzision zu erhalten, mussten in regelmäßigen Zeitabständen die V-Null-Werte gemessen werden, das ist die Geschwindigkeit des Geschosses beim Verlassen des Rohres. Während in der Heimat für diesen Zweck ortsfeste Stationen eingerichtet waren, zog im Bereich der Front ein motorisierter Trupp von einem Flakregiment zum anderen, um sich jedes Geschütz vorzunehmen.
Magnetisierte Geschosse wurden durch zwei Spulen hindurch geschossen, die in genau bemessenem Abstand vor dem Geschützrohr aufgebaut waren. Die Zeit, die das Geschoss brauchte, um von der ersten Spule zur zweiten zu gelangen, wurde durch die sogenannten Boulanger-Apparate ermittelt, von denen – um die Genauigkeit der Messung noch zu erhöhen - gleich zwei in einem Sonderanhänger untergebracht waren. Beim Durchfliegen des Geschosses durch die Spulen wurde durch das magnetische Feld des Geschosses ein Stromstoß erzeugt, der über ein Relais nacheinander zwei Fallgewichte im Boulanger-Apparat auslöste, von denen das zweite kleinere ein Schlagmesser betätigte, das in das erste eine Kerbe schlug. Die Fallhöhe maß man mit einer Lehre, woraus sich für jedes Geschütz der neue V-Null-Wert ergab. So war es möglich, dass beim Feuern der Batterie die Sprengpunkte der Granaten in die genau vorgesehene Lage kamen.
Die Scheinwerfer übernahmen nicht nur das Anleuchten bei Nacht. Die großen Scheinwerfer von 150 Zentimeter Durchmesser waren mit einem Horchgerät, dem sogenannten Ringtrichterrichtungshörer, verbunden. Mit diesem äußerst feinen mechanischen Ohr, das viel empfindlicher war als das menschliche, sollte die Annäherung feindlicher Flugzeuge rechtzeitig festgestellt werden.
Beim Anflug gegnerischer Flugzeuge begann sich folgende Handlungskette zu entwickeln: In den Befehlsständen des Flugzeugerkennungsdienstes arbeiteten die Soldaten an einer großen Glaswand. Vor dieser Wand stand der Gruppenoffizier, alle gemeldeten B-Kennungen wurden rückseitig eingezeichnet. Änderten die Maschinen ihren Kurs, meldeten die E-Dienste diesen Wechsel. Die alte Position wurde entfernt und die aktuelle B-Kennung mit farbiger Kreide eingetragen. Diese Meldungen ermöglichten den jeweiligen Batteriechefs eine genaue Berechnung und Verfolgung des Flugweges der einfliegenden Feindmaschinen. Wenn Bomberverbände in das IDA-EMIL-Gebiet (das Reichsgebiet war für die Flakartillerie in Bereiche mit verschiedenen Buchstaben Kennungen eingeteilt worden; Dessau wurde mit der Buchstabenkennung „IDA-EMIL“ auf den Karten der Gefechtsstände geführt) einflogen, wurde bereits die Stufe A2 (Voralarm) ausgelöst. Der Batteriechef ergriff taktische Maßnahmen.
Vorbereitungstätigkeiten wurden wirksam. In den Feuerstellungen wurden Geschütze von Tarnplanen befreit, alle erforderlichen Geschütz- und Gerätefunktionen durchliefen den Testlauf. Kam kurze Zeit später die Stufe A1 ( 70 km Entfernung), bedeutete das Gefechtsalarm für die Batterie. Nun mussten die Flakbatterien in kürzester Zeit Feuerbereitschaft an die Untergruppe melden.
Eine Stadt wie Dessau mit der höchsten Luftempfindlichkeit, wie der technische Ausdruck lautete, konnte mit all diesen Maßnahmen, so war die offizielle Haltung, beruhigt sein, denn die deutsche Luftwaffe und Luftverteidigung sollte jeden Angriff auf Dessau wirkungslos machen.
Diese Behauptungen erwiesen sich bereits am 20. August 1940 als Propaganda. An diesem Tag erfolgte der erste Bombenangriff auf die Stadt. Von 00.21 bis 02.30 war für die Flakgruppe Groß-Dessau, die zum Luftverteidigungskommando 2 mit Sitz in Leipzig gehörte, Feuerbereitschaft befohlen. Trotz des massiven Einsatzes der Flak konnte ein britisches Bombenflugzeug seine Last entlang der Askanischen Straße abwerfen um Tod und Zerstörung in die Stadt zu tragen.
Die Kriegseinsätze der Dessauer Flakartillerie 1939-1945
Während der 18 Tage des Polenfeldzuges hatten die beteiligten Flakverbände aus Dessau kaum Gefechtseinsätze. Die deutsche Luftflotte hatte den größten Teil der polnischen Fliegerkräfte in Wellenangriffen bereits am Boden zerstört. Zu wirklichen Gefechtseinsätzen kamen sie erst ab dem 10. Mai 1940 an der Westfront. Zur artilleristischen Unterstützung des am Modell sorgfältig vorbereiteten, kombinierten Angriffs von Fallschirmtruppen und Sturmpionieren (Oberstleutnant Mikosch) gegen das wichtige Maas-Übergänge sichernde Fort Eben-Emael bei Lüttich wurde die Flakgruppe „Aldinger“ eingesetzt, in die Abteilungen des Flakregiments 201 mit Dessauer Truppenteilen integriert waren.
Danach waren Flak-Abteilungen des in Dessau und Wittenberg stationierten Flakregiments 43 an vielen Frontabschnitten im Einsatz. Flak-Soldaten aus Dessau kämpften im Rahmen der Luft- bzw. Panzerabwehr zum Beispiel im Juli 1940 als Flakschutz des Aufmarsches und der Vorbereitung auf das Unternehmen „Seelöwe“
an der Kanalküste, im Dezember 1940 als Flakschutz der Kriegsmarine an der Atlantikküste, im März 1941 bei der Verteidigung Berlins gegen feindliche Luftangriffe, im Juni 1941 gemeinsam mit der Panzergruppe 1 im Südabschnitt der Ostfront, 1943 in Woronesch, vom November 1943 bis März 1944 u.a. in Sewastopol aber auch im Afrikafeldzug.
„Den Ernst der Zeit haben wir damals noch nicht so richtig verstanden“ – Einsatz von Flakhelfern
Am 15. Februar 1943 begann im Deutschen Reich die Zeit der Luftwaffenhelfer, in der Regel Schüler. Erste Einberufungen erfolgten am 15. April 1943. In Dessau erhielten rund 200 Schüler ihre Gestellungsbefehle von der Polizeibehörde, der sie verpflichtete, sich am genannten Tag in der Flak-Kaserne in Kochstedt einzufinden. Der Gestellungsbefehl wurde auf den Namen des Vaters ausgestellt, da die Schüler meist noch minderjährig waren. In der Kochstedter Kaserne wurden die Flakhelfer eingekleidet und in Holzbaracken einquartiert. Nach ihrer Ausbildung von 4-6 Wochen kamen sie zum Einsatz. In den verschiedenen Stellungen sollten die Schüler der Knaben-Mittelschule z.B. in der Feuerstellung Kreuzbergstraße die Stadt gegen feindliche Flugzeuge verteidigen. Andere Schüler wurden auf die Stellungen der Flakbatterien in Kochstedt, Kühnau und am Kornhaus aufgeteilt.
Doch nur Helfer waren diese Kinder keineswegs. Aktive Soldaten sollten sie sein, ausgebildet, um die zu ersetzen, die an die Front kamen. Daran änderte auch die Tatsache nicht viel, dass jene, deren Schulzeit noch nicht abgeschlossen war, weiter unterrichtet wurden. Deren Lehrer kamen dazu in die Flakstellungen. Bei der Alarmstufe A-2 ging der Unterricht weiter. Wurde aber Gefechtsalarm gegeben, sprangen die Schüler auf und liefen an die Geschütze. Die Lehrer mussten sofort die Stellung verlassen. Der Unterricht – 1944 laut „Reichslehrplan“ für Luftwaffenhelfer an drei Wochentagen vorgesehen, fand zunehmend sporadisch statt und fiel vom Spätherbst an gänzlich weg. Zuletzt wurden die Flakhelfer der Batterie Waldersee in der Gaststätte „Schweizergarten“ in Waldersee unterrichtet. Die Batterie 213/IV Heimatflak war mit sechs Geschützen auf dem noch verschneiten Försteracker in Waldersee im März 1944 in Stellung gebracht worden, wo sie mit der unmittelbar daneben gelegenen Batterie 208/IV eine Doppelbatterie bildete. Zusammen mit den schweren Batterien in Klieken, Kleutsch und Möst markierten die 208/IV und die 213/IV die östliche Peripherie des Flakrings um das Industrie- und Stadtgebiet von Dessau.
Pro Batterie waren sechs Geschütze rund um die Uhr zu besetzen. Bei der Flugzeugerkennung gab es zwei Stufen. Stufe I war die sog. Grobansprache, Stufe II die Feinansprache (optisch). Wenn aber der Meldedienst die einfliegenden Feindmaschinen nicht früh genug auffassen konnte oder das Warnkommando die Meldung zu spät erhielt, musste sofort A1-Gefechtsalarm ausgelöst werden. Geschossen wurde von den Batterien entweder optisch mit Kommandohilfsgerät oder Funkmessgerät 40 und „Malsi-Hilfsgerät“. Durch ständige Aufzeichnung der aktuellen Anflugkurse gewannen alle Batteriechefs den notwendigen Überblick über die Luftlage und damit die Grundlage für den Ansatz ihrer Batterien. Wenn das Kommandohilfsgerät einer Batterie ausfiel, konnten mit Hilfe des Malsi-Gerätes die Schießwerte einer anderen Batterie umgewertet werden. Die Richtkanoniere mussten nun alle ankommenden Werte am Geschütz einstellen. Änderten die Bomber den Kurs, befanden sich die Feindmaschinen im Wechselpunkt, musste blitzschnell um 180 Grad gedreht werden, um überhaupt etwas zu treffen. Alle ankommenden Schießwerte konnten sich ständig ändern. Entsprechend wurde ständig, zu Tag- und Nachtzeiten, immer und immer wieder geübt.
Mit Vorrang wurden Luftwaffenhelfer in den Funktionen ausgebildet, für die intelligente und verlässliche Soldaten benötigt wurden: E2, E3, B4 und B5 am Kommandogerät 41, Bedienungen für das Malsi-Gerät, Ersatz-Funkmessgerät-Bedienungen, E-Messleute, stellv. Geschützführer K1, K2, K3, und K6 an der schweren, mittleren und leichten Flak, K10 an der 8,8-cm-Flak sowie Funker und Fernsprecher. In den zugeordneten Scheinwerfer-Abteilungen und an den Horchgeräten versahen oft Frauen ihren Dienst als Flakhelferinnen in den Dessauer Feuerstellungen.
Der Luftverteidigungsring im Großraum Dessau erstreckte sich bis nach Köthen - Roßlau - Rodleben – Calbe. Es bestanden die Flakgruppe Groß-Dessau sowie die Untergruppen Dessau-Ost, Dessau-West, Dessau-Mitte, Dessau-Roßlau. Der Flak-Untergruppe Dessau-Mitte war z.B. die leichte Flak-Abteilung 990 unterstellt, der Flak-Untergruppe Dessau-Ost die Reserve-Flak-Abteilung 434 mit der Untergruppe Kühnau. Die Feuerstellung dieser Abteilung war im Raum Klieken – Kleutsch. Die schwere Abteilung 464 mit ihrer Feuerstellung im Raum Neeken war der Flak Untergruppe Dessau-West unterstellt. Die leichte Flak-Abteilung 464 gehörte zur Flak-Abteilung Rodleben. Weiterhin bestand eine Flak-Untergruppe Köthen mit Feuerstellungen im Raum Quellendorf.
Übersichtstabelle der Batterien und Abteilungen im Jahr 1944
Bezeichnung der Abteilungen | Feuerstellungen |
IV / 213 (1944-1945) | Dessau-Waldersee |
IV / 251 (1944-1945) | Dessau-Roßlau |
Leichte Flak-Abteilung 990 | Rodleben |
Res. Flak-Abteilung 434 | Raum Klieken und Kleutsch |
Untergruppe Köthen | Raum Quellendorf |
Sw. Flak-Abteilung 464 | Raum Neeken bis Kühnau |
Untergruppe Kühnau | Großkühnau |
Le. Flak-Abteilung 727 | Raum Rodleben bis Bernburg |
Res. Flakscheinwerfer-Abt. 438 | Nördlich der Elbe |
Sw. Flak-Abteilung 434 | Kornhaus, Waldersee, Törten |
Ihren ersten großen Einsatz hatten die Flakhelfer beim Angriff vom 28. Mai 1944, Pfingstsonntag, dem ersten Tagesangriff amerikanischen Bomber auf Stadt Dessau. Die Dessauer schwere Flak - zu jenem Zeitpunkt aus 13 Batterien mit 81 Geschützen bestehend - schoss aus allen Rohren. Die Bilanz des ersten Tagesangriffs in der Stellung der Batterie 213/IV auf dem Försteracker, das geht aus den Erinnerungen von Wolfgang Muth hervor, der dort stationiert war, lautete: „Heil davon gekommen, keine Verluste, unerhebliche Beschädigungen im Batteriebereich (Scherben in den kalt gewordenen Rouladen vom A2 Mittag), anfangs passables Gruppenfeuer, später infolge Überlastung von Geschützen und Bedienungen nachlassende Feuerdisziplin, etliche technische Ausfälle, Unklarheit über Abschüsse bzw. Abschußbeteiligungen.“ Dabei wurde damals jeder erzielte Abschuss für die Batterie mit vier Punkten bewertet. Waren 20 Punkte erreicht, gab es das Flakkampfabzeichen für die Soldaten der Batterie.
Nach den Pfingstangriffen 1944 kam es zunächst zu einer weiteren Verstärkung der Flakverteidigung um Dessau. Die um die Schutzobjekte konzentrierten schweren Einheiten wurden modernisiert bzw. vergrößert und in der Regel zu Großbatterien Rohren gekoppelt. Die aus der ursprünglichen Flakgruppe Dessau hervorgegangene 2. Flakbrigade verfügte nunmehr über 16 bis 48 Rohre pro Batterie, z.B. in Klieken, Kleutsch und Waldersee. Die Batterie 213/IV in Waldersee erhielt nun acht neue 8,8-cm-Kanonen, von denen 5 in den alten Umwallungen Aufstellung fanden. Zwei Geschütze wurden in Richtung Schwedenwall vorgesetzt. Als Feuerleitgerät erhielt die Batterie ein fabrikneues Kommandogerät 40. Zur Ausbildung als Bedienungsleute für dieses komplizierte Gerät kommandierte man einige Flakhelfer nach Möst ab. Die neuen Kanonen schossen 10.600 m hoch. Somit erhoffte man sich bislang ausgebliebene Abschüsse.
Die britischen und amerikanischen Flugzeuge waren beschussfester geworden, Flughöhe und Fluggeschwindigkeit hatten sich erheblich gesteigert, die Funkmessgeräte der Flak wurden planmäßig gestört, und gegen die Taktik des Bomberstroms fand sich kein zweckmäßiges Abwehrverfahren. Überdies boten die angreifenden Flugzeuge der Flak durch ständige Kursänderung kein festes Ziel mehr. Als Folge dieser Entwicklungen stieg der Munitionsverbrauch der Flakartillerie enorm an. Die Chancen der Flakabwehr, ein Bombenflugzeug zu treffen, blieben trotz der technischen Umrüstungen und Verbesserungen gering. Folgendes Beispiel aus der Praxis der Flakbatterie 213/IV verdeutlicht dies:
- Anflug aus 8/9 auf Dessau-Alten (Ziel)
- Angriffshöhe 7.000 m (konstant)
- Vh 100m/sec ___Z_________213/IV___
- direkter Anflug auf Abflug über Batterie
- im Zündereinstellungsbereich bei 10.000 m = 7.000 m Kartenebene
- Anmessung der Führungsmaschine bei opt. Schießen mit Kommandogerät
- Anflug aus 2/3 auf Dessau-Alten (Spiegelbild von a)
- Feuerbereich: 2 x 66 sec bei Rohrerhöhung zwischen 45° und 85°, maximale Schussfolge bei 3,3 sec
- Ladeverzugszeit und Wechselpunkt:
Gleichzeitig waren die Flak-Stellungen durch Beschuss und Bombenabwürfe von angreifenden Flugzeugen stark gefährdet. Beim Luftangriff auf Dessau am 16. August 1944 hatten die in der Umgebung der Stadt stehenden Flakeinheiten den Eindruck, dass der Bombenhagel so stark sei, dass von Dessau nicht mehr viel übrig bleiben würde. Zwischen Mosigkau und Elsnigk wurde eine Flakstellung mit Bomben belegt. Es fiel ein Leutnant, ein Flakhelfer galt als vermisst. Am 28. September 1944 fielen die Bomben in das Nordviertel und in die Wasserstadt. Wie die Angehörigen der Flakstellung 213/IV auf dem Försteracker in Waldersee bemerkten, flogen die angreifenden Maschinen in wesentlich geringerer Höhe als sonst an und waren bereits nach kurzer Zeit wieder aus ihrem Feuerbereich entschwunden, nicht ohne aber in bedrohlicher Nähe Bomben in einem Reihenwurf niedergehen zu lassen, die die Stellung nur knapp verfehlten.
1944/1945 brach die deutsche Luftverteidigung weitgehend zusammen. Die Wucht der englischen und amerikanischen Bombenangriffe nahm immer mehr zu. Dennoch wurden ständig Flakbatterien aus dem Städteschutz herausgelöst, um als Erdkampf-Batterien an die Ost - und Westfront verlegt zu werden. Die Städte und Ortschaften, zu deren Schutz sie aufgestellt worden waren, blieben so ohne wirksame Luftabwehr. Viele von ihnen sanken, wie Dessau am 7. März 1945, in Schutt und Asche.
Reinhard Gassong
Zitierte Quellen und weiterführende Literatur:
Handbuch zur deutschen Militärgeschichte 1648-1939, Frankfurt am Main 1979-1981, Band VII, Teil I, S. 540
Horst Adelbert Koch: Flak: Die Geschichte der deutschen Flakartillerie 1935-1945, Bad Nauheim 1954
Olaf Groehler: Anhalt im Luftkrieg 1940-1945. Anflug auf Ida-Emil, Dessau 1993
Ders.: Einsatz Nummer 1027. Der Luftangriff auf Dessau am 7. März 1945, Dessau 1986
Georg Tessin: Deutsche Verbände und Truppen 1918-1939: Altes Heer, Freiwilligenverbände, Reichswehr, Heer, Luftwaffe, Landespolizei, Osnabrück 1974
Feldgrau. Zeitschrift für neuzeitliche Wehrgeschichte, Organisation, Uniformierung, Bewaffnung und Ausrüstung,
Berlin, Heft 1/1954 , 14/1966
Stadtarchiv Dessau: NZ 7, NZ 156
Anhalter Anzeiger 1937, 1938, 1939
Anh. Landeszeitung 1943
Landeshauptarchiv Sachsen-Anhalt, Abteilung Dessau, Heeresstandort-Verwaltung Roßlau, KDV Dessau-Köthen Rg. Nr. 105 / 106 / 109 (1940-1945)
Wolfgang Muth: Schwere Heimatflakbatterie 213/IV Dessau-Waldersee 1944 (Manuskript)
Heinz Austermann: Von Eben Emael bis Edewechter Damm, Fallschirmjäger: Fallschirmjäger, Fallschirmpioniere. Berichte und Dokumente über den Einsatz der Fallschirmpioniere, Holzminden 1971