Funksendestelle Scheuder in der NVA-Militäraufklärung |
Die Funksendestelle Scheuder wurde durch den Bereich Aufklärung (BA) in Berlin und das Funkaufklärungsregiment-2 (FuAR-2) - ab 1989 Zentraler Funkdienst (ZFD) - in Dessau gemeinsam genutzt. Sie trug die Bezeichnung Betriebsstelle-4 (Bst-4).
Historie
Das 1963 nach Dessau verlegte FuAB-21 nutzte bis Juli 1981 eine Sendestelle im Kühnauer Forst. Hier standen zwei Sender SS-1000 und ein Sender SS-100 sowie zwei Dipolantennen zur Verfügung. Dieses Objekt lag direkt neben einer sowjetischen Kaserne, ca. 2,6 km westlich des FuAB. Durch die kurze Entfernung zum Regiment kam es zu Feldstärkeeinflüssen auf die abzuhörenden Frequenzen der Kurzwellenaufklärung. Weiterhin war die Sendeausrüstung technisch verschlissen, so dass Ende der 1970er Jahre nach einer Alternative gesucht wurde. Ein geeigneter Standort fand sich im Kreis Köthen zwischen den Orten Scheuder und Lausigk. Hier stand ein Gelände von ca. 15,5 ha mit einer Entfernung von 12 km in süd-westlicher Richtung vom FuAR zur Verfügung.
Nach Abschluss der Planung und Projektierung begannen 1979 die Erschließung des Grundstückes sowie der Bau der neuen Sendeanlage. Durch den VEB Kreisbau Dessau wurden auf dem Gelände zwei Gebäude, mehrere Mastfundamente, ein Baustraßensystem und die Einfriedung errichtet. Beide Gebäude wurden mit einem 3,6 m hohen Sichtschutz umgeben. Ab 03.11.1980 wurde die neue Sendestelle personell besetzt. Im Zeitraum bis Ende Mai 1980 wurden die Fernmeldeeinrichtungen, die erste Sendetechnik (vier Sender á 1 KW und 2 Sender á 5 KW) und die Antennenanlage errichtet sowie das Objekt an ein 100-paariges, druckluftüberwachtes Kabel (Sonderkabel 201 = SOK-201) vom Stammobjekt Dessau angeschlossen. Die verbauten Investitionen betrugen mehrere Millionen DDR-Mark. Nach der Übergabe der technischen Einrichtungen an das Regiment erfolgte ab Mai 1981ein 6-wöchiger Probebetrieb parallel zur alten Sendestelle. Diese wurde am 20.07.1981 abgeschaltet und anschließend demontiert.
Die Funksendestelle Scheuder verfügte über zwei, durch eine ISA-2000 überwachte, separate Netzeinspeisungen. Bei totalem Netzausfall kam als Notstromaggregat ein 125 kW-Schiffsdiesel zum Einsatz. Dieser befand sich aus lärmschutzgründen im zweiten, kleineren Gebäude. Die Nachbetankung des Aggregates erfolgte durch die vorhandene 10.000-Liter-Containertankstelle. Weiterhin verfügte das Objekt über einen Tiefbrunnen mit nachgeschaltetem Speicher und einer Aufbereitungsanlage zur unabhängigen Wasserversorgung. Die Heizung der Räume erfolgte elektrisch.
Das gesamte Areal wurde mit einer 1983/84 errichteten Hochspannungssicherungsanlage (HSA) umgeben. Die Betriebsspannung der HSA lag im Bereich zwischen 20 und 25 KV. Sie war nach innen und außen mit zusätzlichen Maschendrahtzäunen gesichert. Der äußere, höhere Zaun verfügte außerdem über einen Übersteigschutz aus Stacheldraht. Durch diese Anlage konnte auf Bewachungspersonal verzichtet werden.
Neben der Bst-4 verfügte der Bereich Aufklärung über weitere Sendestellen. Dies waren das Sendezentrum "137" bei Dahlwitz-Hoppegarten und das Funkamt der NVA - im internen Sprachgebrauch: Agenturisches Funkzentrum (AFZ) - in der Nähe von Angermünde. Das AFZ gliederte sich in zwei Dienststellen: die Empfangsstelle bei Crussow und die Sendestelle im Wald bei Senftenhütte. Hierüber erfolgte hauptsächlich der Funkbetrieb der Agenturaufklärung. Dazu standen neun Sender KN5-E und vier Sender KN20-E zur Verfügung.
Als Sendestelle für weiteren Funkbetrieb des BA wurde die "137" eingesetzt. Sie befand sich direkt hinter der Stadtgrenze von Berlin-Mahlsdorf und war von dort über die Grunowstraße zu erreichen. Die "137" wurde Mitte der 1980-er Jahre abgeschaltet und umfassend rekonstruiert.
Die Bst-4 musste während der Rekonstruktion ihre Aufgaben übernehmen. Alle drei Sendestellen waren über ein Richtfunknetz miteinander und dem BA verbunden. Hier kamen mehrkanalige Richtfunkgeräte FM 24/400 mit Dipolzeilen aus zwei logarithmisch-periodischen Antennen zum Einsatz. Diese Verbindungen sollten bei Ausfall der Drahtkanäle zum Einsatz kommen.
Die Sendeeinrichtungen der Bst-4 wurden über das SOK-201 fernmoduliert und teilweise fernbedient. Zu den Funkern im BA und FuAR bestanden zusätzlich Fernsprechverbindungen (Telefon über S1 und WL direkt). Weiterhin bestand über dieses Kabel die Möglichkeit, dass im Feld befindliche Truppenteile die stationären Sender nutzen konnten. Für den Ausfall des Kabels wurde ein Richtfunkgerätesatz R-405 X/N-1 mit drehbaren Antennen (Winkelreflektor und Kreuzyagi) errichtet. Im Nachrichtenbetriebsraum wurde ein Funkerarbeitsplatz installiert. Damit war es möglich, aus der Bst-4, Funkbetrieb durchzuführen. Hier war neben der KW-Empfangstechnik auch ein Flugfunkempfänger R-313M2 zum Aufnehmen dringender Meldungen aus der fliegenden Aufklärungszentrale (modifizierte Antonov AN-26 mit der Bordnummer "373") vorhanden.
Der Betrieb der Bst-4 wurde ab März 1990 reduziert und im September komplett eingestellt. Die Sendestelle wurde in einwandfreiem und funktionstüchtigem Zustand an die Bundeswehr übergeben. Sie hatte jedoch kein Interesse an diesem Objekt und übertrug es an das Bundesvermögensamt. 1992 gab es Interessenten für eine zivile Nutzung. Die Technik und auch die bauliche Substanz befanden sich immer noch in einsatzbereitem Zustand. Die Größe der Sendestelle überschritt jedoch die Vorstellungen der Interessenten bei weitem. Sie blieb weiterhin ungenutzt. Im Zeitraum bis 1995 wurde mehrfach in die Bst-4 eingebrochen, die Technik unfachmännisch ausgeschlachtet und gestohlen. Im Gebäude wurde randaliert, Autoreifen abgebrannt und alle Fenster zerschlagen. Heute ist das gesamte Objekt leergeräumt. Das Gelände, auf dem sich noch immer die Antennenmasten befinden, wurde von einem Bauern aus dem Nachbarort erworben. Das Areal dient ihm als Viehweide und im Sendersaal stehen Kühe. Ein trauriges Ende für dieses Objekt.
Technische Ausrüstung
Auf den vorbereiteten Mastfundamenten wurde die Antennenanlage errichtet. Diese bestand aus:
Im Sendersaal und Nachrichtenbetriebsraum war folgende Technik installiert:
Zwei Sender KN20-E waren geplant, wurden aber, bedingt durch die Wende, nicht mehr realisiert. Als Notsender befand sich im Objekt ein mobiler sowjetischer Funkgerätesatz R-140.
Einsatzbereich
Wie anfangs erwähnt, arbeitete die Bst-4 für zwei NVA-Dienststellen. Dabei hatte sie folgende Aufgaben zu erfüllen:
für das FuAR-2 Sicherstellung der:
für den Bereich Aufklärung Sicherstellung der:
Personal
Antenne SHG: 1, 2, 6, 7 Antenne SHB: 4 Antenne VRG: 3, 5, 8 Antenne R405 X/N-1: 9 Antenne FM 24/400: 10
Autor: DM3VA - Peter (Leiter der Sendestelle 1980-1990)
Quelle: Privatarchiv des Autors, Bilder der "137" mit freundlicher Genehmigung von E. Klopp |